„Den Menschen als Ganzes sehen“

von | 31.01.2023 | Meinung

Inzwischen konkurrieren alle Unternehmen um Fachkräfte – egal, wie groß sie sind. Insbesondere gilt das jedoch für die IT- und Datenverarbeitungsberufe.
Hier konkurrieren Software- und Technologieunternehmen, wie wir, mit fast allen größeren oder mittelständischen Unternehmen. Informatiker und andere Spezialisten kennen meist Microsoft, Google und SAP, aber einige der „Hidden Champions“ sind bei Absolventinnen und Absolventen fast unbekannt.

Doch ein kleines oder mittleres Unternehmen ist nicht unbedingt im Nachteil gegenüber einem großen Unternehmen, nur weil es vielleicht nicht über die gleichen finanziellen Mittel zur Fachkräftegewinnung verfügt. Meine persönliche Erfahrung ist: Es kommt auf das Mindset an, nicht auf das Geld.

Natürlich ist das Fundament einer Arbeitsbeziehung „Arbeit gegen Geld“. Doch wenn ich die Menschen jenseits dieses Fundaments als Ganzes sehe, dann gebe ich ihnen gute Gründe, gerade mein Unternehmen als Arbeitgeber auszuwählen. Ein Beispiel: Wir bei SAP haben im Winter 2019/2020 ein „Winter Wonderland“ kreiert, bei dem ungeheuer viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freiwillig einen Beitrag geleistet haben – sei es, dass sie für ihre Kolleginnen und Kollegen musiziert oder mit deren Kindern etwas gebastelt haben. Das riesige Angebot war letztlich ein Spiegelbild unserer Vielfalt und vor allem ein Riesenerfolg. Und: Am Ende des Tages hat die gesamte Aktion, die über mehrere Monate lief, pro Teilnehmer ganze 70 Cent gekostet.

Doch Erlebnisse für unsere Mitarbeitenden sind bei uns nicht nur Party: Als Russland die Ukraine angegriffen hat, haben wir sehr schnell gemerkt, dass viele Menschen nicht wussten, wohin mit ihren Gefühlen. Wir haben ihnen dann ein Angebot gemacht mit dem Titel „Lass uns über Krieg reden“. Dazu haben wir eine Psychologin und einen Arzt engagiert. Auch dieses Angebot haben die SAPler sehr gut angenommen. Wichtig ist die Sensibilität, zeitnah zu reagieren. So schaffen wir „moments that matter“. Und wir zeigen glaubwürdig, dass der Mensch bei uns im Mittelpunkt steht.

Ansonsten habe ich die Erfahrung gemacht, dass Essen ein hochemotionales Thema und ungeheuer wichtig ist – gerade bei der Arbeit. Warum? Wir haben einmal einen Test mit einem kleinen Dienstleister gemacht, der über unzufriedene Mitarbeitende klagte und sich große Sorgen um seine Attraktivität als Arbeitgeber machte. Der Dienstleister hat dann als Experiment ein kostenloses Mittagessen eingeführt, und die Fluktuation ist in der Folge dann gleich ganz deutlich von 30 auf 10 Prozent gesunken. Das hat etwas Geld gekostet, aber das war gut investiert.

Nicht jeder Arbeitgeber muss sich also ganz besondere Dinge einfallen lassen, um seinen Mitarbeitenden etwas Gutes zu tun, zum Beispiel eine App einführen, mit der sie sich einen kostenlosen Dog-Sitter buchen können – es gibt viele Wege, den Menschen, mit denen wir einen großen Teil unserer Lebenszeit verbringen, zu zeigen, wie wichtig sie uns sind. Und zufriedene Mitarbeitende bedeuten zufriedene Kunden.

 

Grafik: stock.adobe.com – Good Studio

 

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Cawa Younosi

Cawa Younosi

Global Head of People Experience, Personalchef und Mitglied der Geschäftsführung von SAP Deutschland. Der renommierte Arbeitsrechtler gilt als Deutschlands HR-Influencer Nr. 1.

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