
Die Chance ihres Lebens
Die Prognosen sind alles andere als ermutigend: Bis zum Jahr 2030 werden in Deutschland laut Schätzungen von Arbeitsmarktexperten rund zwei Millionen Fachkräfte fehlen. Eine privatwirtschaftliche Initiative im nordpfälzischen Rockenhausen bekämpft diesen Fachkräftemangel nun durch gezielte Ausbildungsförderung effektiv.
Zubee, eine kreative Wortschöpfung aus Azubi und dem englischen Wort für Biene (Bee), sieht sich dabei nicht als Personaldienstleister, wie man vielleicht im ersten Moment vermuten könnte. Vielmehr sieht sich das Unternehmen als Partner für die technische Ausbildung auf Augenhöhe mit Ausbildungsbetrieben und potenziellen Azubis. Dabei hat Mitbegründer Reiner Rudolphi die Not zur Tugend gemacht, wie er es im Rückblick beschreibt.
Als Inhaber des bis Dezember 2022 ebenfalls in Rockenhausen ansässigen Unternehmens Rema Fertigungstechnik, jetzt mit Sitz in Sembach, hat Rudolphi im Juni 2015 in enger Zusammenarbeit mit dem ruandischen Bildungsministerium das Ausbildungsprojekt „Machining for Rwanda’s Future“ ins Leben gerufen. Junge Menschen aus dem ostafrikanischen Land werden seither gefördert und in Rudolphis Unternehmen ausgebildet. Diese Erfolgsstrategie will der Inhaber jetzt mit anderen Ausbildungsbetrieben teilen. Denn Rema ist kein Einzelfall.
Mehr als die Hälfte aller Unternehmen sieht den Fachkräftemangel als größte Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung. Der ursprüngliche Ansatz, junge Menschen aus Ruanda auszubilden, damit diese eine erfolgreiche Industrie im eigenen Land mitentwickeln, mag nach wie vor eine sinnstiftende Motivation sein, doch immer öfter werden die gut ausgebildeten Fachkräfte in der deutschen Wirtschaft benötigt. Rudolphi, der überwiegend Zerspannungsmechaniker ausgebildet hat, bringt es auf den Punkt: „Ohne Ruander ist eine dreischichtige Produktion bei Rema nicht mehr möglich.“
Gemeinsam mit Zubee-Mitbegründer Lukas Geib will Rudolphi diese Expertise jetzt auch anderen Unternehmen bereitstellen. Mit der ruandischen Regierung wurde eine neue Kooperationsvereinbarung geschlossen, die sich mit dem neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in Deutschland ergänzt. Zubee selbst begleitet und betreut die jungen Menschen vor Ort, prüft deren technische Vorkenntnisse, führt selbst Deutschkurse durch und sucht den geeigneten Ausbildungsbetrieb. Mittlerweile haben Firmen aus ganz Rheinland-Pfalz Interesse an dieser ungewöhnlichen Initiative bekundet. Sie bietet vielen Unternehmen die Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen und den eigenen Nachwuchs auszubilden.
Dabei ist Sensibilität gefragt, denn die jungen Menschen lernen neben einem neuen Beruf auch neue Lebensweisen und kulturelle Eigenheiten. Ein Spannungsfeld, auf das sich auch die Ausbildungsbetriebe „einlassen müssen“, wie Rudolphi fordert. „Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass mehr als 90 Prozent über sich hinauswachsen – davon profitiert auch Ruanda sehr stark.“ Neben der finanziellen Unterstützung ihrer Familien und dem Weitergeben von technischem Know-how zum industriellen Aufbau des Landes sehen die meisten Azubis darin die Chance ihres Lebens für eine persönliche und berufliche Karriere.
Über das Netzwerk werden allein in diesem Jahr rund 50 Ruander für eine Ausbildung nach Deutschland kommen. Bereits 2024 stehen 100 gut ausgebildete und motivierte junge Menschen mit einem B1-Zertifikat des Goethe-Instituts für eine Ausbildung in Rheinland-Pfalz bereit. Viele Unternehmen aus der Metallbranche hätten sich bereits gemeldet, um an dem Programm teilzunehmen.
Rudolphi weiß, dass es einen langen Atem braucht: „Die positiven Effekte werden sich erst in einigen Jahren zeigen.“ Ziel ist es, Wissen und Qualifikation nach Afrika zu bringen. Ein Herzensprojekt dabei: Jungen ruandischen Schülern die Chance für eine bessere Zukunft ermöglichen und dadurch die Welt nachhaltig ein Stück besser zu machen. Die Rema Fertigungstechnik beschäftigt rund 50 Mitarbeiter. Die einzelnen Geschäftsfelder sind in die CNC Serienteile Aluminium, Vorrichtungen und Komponenten sowie Industrieprojekte untergliedert.
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Dirk Leibfried
Freier Wirtschafts-Journalist für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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