Die Misere als Booster
Seit 150 Jahren kommen zuverlässige Pumpen und Armaturen aus Frankenthal: Rund um den Globus beschäftigt KSB in Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service mehr als 15.000 Menschen. Für einen verlässlichen Betrieb weltweit sorgen 190 Servicestätten mit mehr als 3.500 Wartungs- und Servicemitarbeitern. Wie sich sie Weltwirtschaft aktuell verändert, beschreibt Rainer Michalik, Leiter Integriertes Management & Nachhaltigkeit bei KSB und Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses, im Interview.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine?
„Das Rad der Globalisierung wird gerade zurückgedreht: Russland ist durch weitreichenden Sanktionen isoliert, die Boykottmaßnahmen scheinen zu greifen. Wir fragen uns als europäischer Hersteller, wie verlässlich wird der Wirtschaftspartner Russland zukünftig noch sein und kann man auf ihn verzichten? Da durchschnittlich nur zwei Prozent der deutschen Ausfuhren nach Russland gehen, schwerpunktmäßig Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und chemische Industrie, lautet die Antwort Ja. Wobei es auch pfälzische Mittelständler gibt, die ihr Hauptgeschäft dort haben und damit natürlich stark betroffen sind.
Ein anderes Thema sind Rohstoffe bzw. Energie aus russischen Quellen: 55 Prozent unseres Erdgasbedarfs, 35 Prozent Erdöl und 50 Prozent Steinkohle kommen von dort. Ein schneller und kostengünstiger Wechsel ist utopisch. Doch auch für Russland gestaltet sich die Suche nach neuen Abnehmern – wie etwa China – nicht einfach.“
Welche Auswirkungen haben die geopolitischen Konflikte auf KSB als internationale Unternehmensgruppe?
„Wir haben Dependancen sowohl in der Ukraine als auch in Russland und sind momentan sehr besorgt um unsere ukrainischen Mitarbeiter in der Vertriebsniederlassung. Zurzeit sind sie noch sicher untergebracht. In Russland hat KSB in den vergangenen zehn Jahren viel investiert, im Raum Moskau beschäftigen wir rund 100 Mitarbeiter in den Bereichen Service und Gebäudetechnik. Selbstverständlich tragen wir die Sanktionen gegen Russland vollumfänglich mit. Unsere materiellen Verluste halten sich in Grenzen. In China sind wir weitaus stärker engagiert, wir haben mehrere Fertigungswerke dort. Außerdem ist China immer noch ein Wachstumsmarkt, den wir aus dem Land heraus bedienen können.“
Was muss Ihrer Ansicht nach von Politik und Wirtschaft getan werden, damit sich eine Entwicklung hin zu einer für alle Beteiligten erfolgreichen Geoökonomie vollziehen kann?
„Aus der Vergangenheit betrachtet war die Globalisierung der Lieferketten ein Erfolgsmodell: niedrige Produktionskosten, preisgünstige Logistik, kleine Lager. Mit Zusammenbruch vermeintlich stabiler Lieferketten wurde der Wunsch nach immer höherer Kosteneffizienz auf den Prüfstand gestellt. Zuverlässigkeit wird plötzlich zum weitaus höheren Gut. Fertigungstiefen werden wieder nach Deutschland geholt, Lager werden ausgebaut. Das führt mittelfristig zu höheren Kosten, die auch die Verbraucherpreise nach oben treiben werden. Doch ich sehe durchaus positive Effekte in der Misere. Sie ist ein Weckruf für die Wirtschaft, sich neu aufzustellen, und ein Katalysator in vier unterschiedlichen Bereichen:
- Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung werden zunehmen, sodass die Vorteile einer Produktion in Billiglohnländern zumindest teilweise kompensiert werden.
- Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wird abnehmen, die Krise wird die Transformation hin zu erneuerbaren Energien drastisch beschleunigen.
- Die Abhängigkeit von endlichen Rohstoffen wird abnehmen und gleichzeitig werden schädliche Umweltauswirkungen sinken, und zwar durch eine intelligente Kreislaufwirtschaft.
- Ein Schub für die Veränderungsmotivation und den Aufbau des Know-hows bei den Beschäftigten. Engagierte Menschen auf jeder Unternehmensebene sind ein wesentlicher Faktor für den Zukunftserfolg.“
Wie können gerade diese vier Herausforderungen positive Effekte haben?
„Sie werden auch bei uns in der Pfalz viele neue Geschäftsmodelle entstehen lassen. Studien belegen, dass innovative Technologien in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, besonders in den Feldern Recycling, Re-Use oder Refurbishing, aber auch Energieeffizienz einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag jährlich erwirtschaften können.
Natürlich müssen rasch die politischen Rahmenbedingungen für die drei genannten Entwicklungsbereiche geschaffen und bürokratische Hürden beseitigt werden. Wir brauchen hochattraktive Produkte und Dienstleistungen für die Welt, um in Zukunft bestehen zu können.“

Rainer Michalik, Leiter Integriertes Management & Nachhaltigkeit bei KSB Frankenthal. FOTO: KSB
Themen
Schlagwörter
Von

Marion Raschka
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
Diskutieren Sie mit
Die Neuesten Kommentare
Mehr von IHK Interaktiv
Verwandte Beiträge
Viele Möglichkeiten und Vorteile für deutsche Unternehmen
Viele Möglichkeiten und Vorteile für deutsche UnternehmenVertreter der IHK Pfalz begrüßten im Frühjahr die britische Botschafterin in Deutschland Jill Gallard zu einem offenen Austausch über die Herausforderungen für deutsche Unternehmen im UK-Geschäft und die internationale Handelspolitik.
China-Business-Tipps im Jahr des Tigers
China-Business-Tipps im Jahr des TigersAnlässlich des chinesischen Jahres des Tigers 2022 hat das Kompetenzzentrum Greater China Tipps zum China-Geschäft zusammengestellt. Die „TigerTipps“ werden in regelmäßiger Folge veröffentlicht.
Zum Thema: Geopolitik
Zum Thema: GeopolitikGeopolitik definiert die wirtschaftliche Weltordnung derzeit neu. Hier finden Sie alle Informationen zum Thema im Überblick.
Die neuesten Beiträge
Aus Allen Themenbereichen
Zeitung mit Tradition und Innovation
Zeitung mit Tradition und InnovationSie ist die älteste Bistumszeitung Deutschlands: der pilger. In diesem Jahr feiert das Printmedium der Peregrinus GmbH seinen 175. Geburtstag.
Trauer am Arbeitsplatz sollte kein Tabu sein
Trauer am Arbeitsplatz sollte kein Tabu seinTrauer am Arbeitsplatz ist ein leider zu wenig beachteter Aspekt der Trauer, der Menschen nicht nur bei der Arbeit blockieren und ausbremsen, sondern sogar krank machen kann. Was kann ein Unternehmen tun, um die Betroffenen selbst, aber auch deren Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen?
0 Kommentare