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Diskutiertes PFAS-Verbot könnte ungeahnte Konsequenzen haben

von | 20.09.2023 | IHK

Seit 2007 soll die europäische Chemikalienverordnung REACH für ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sorgen. Wie bei der Industrieemissionsrichtlinie steht auch hier eine Novellierung an. Daran arbeitet die EU-Kommission bereits seit 2021. Doch unter anderem aufgrund der starken Belastung der Industrie durch Auswirkungen und Folgen der Pandemie sowie des Krieges in der Ukraine wurde das Projekt aufgeschoben. Nach derzeitigem Wissensstand ist frühestens zum Ende 2023 mit der Novelle zu rechnen.

Insbesondere die derzeit intensiv diskutierte pauschale Aufnahme von PFAS in die Liste der verbotenen Stoffe löst bei Unternehmen, die diese Stoffe einsetzen, schwere Sorgen aus. Der Grund: Es gibt zu ihnen oft keine gangbare Alternative.

Denn es sollen rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) nach einem Vorschlag der Behörden Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande, Norwegens und Schwedens beschränkt werden. Dieser wurde Anfang 2023 bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht, bis Ende September 2023 lief ein Konsultationsverfahren, an dem sich Stakeholder wie Unternehmen und Verbände beteiligen konnten.

Die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA werden die Ergebnisse bei ihrer Stellungnahme berücksichtigen. Anschließend entscheiden die EU-Gremien gemeinsam mit den Mitgliedstaaten über die Aufnahme der PFAS in den Katalog der von REACH erfassten Produkte. Damit ist 2025 zu rechnen.

Der Vorschlag sieht ein umfassendes Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens (einschließlich der Einfuhr) von PFAS vor. Diese sehr stabilen Verbindungen wirken wasser-, fett- sowie schmutzabweisend und werden in unzähligen Verbraucherprodukten wie etwa Verpackungen, Kochgeschirr oder Medizinprodukten eingesetzt, aber auch beispielsweise bei der Herstellung von Halbleitern und Membranen für Brennstoffzellen oder in der Wasserelektrolyse, bei Wärmepumpen und Solaranlagen oder in Windkraftanlagen und E-Autos. PFAS finden sich auch in Produktionsanlagen, etwa in Form von Dichtungen, Ventilen, Beschichtungen von Leitungen, Kolonnen, Pumpen, Kompressoren, Gebläsen, Filtern und vielem mehr.

Reach

Seit Inkrafttreten von REACH müssen Hersteller und Importeure von Chemikalien mit der obligatorischen Registrierung Daten vorlegen und die von den Stoffen ausgehenden Risiken selbst bewerten. Ohne Registrierung dürfen Chemikalien nicht in Verkehr gebracht werden. REACH gilt als eines der strengsten und detailreichsten Chemikaliengesetze der Welt.

Warum sollen PFAS verboten werden?

Wenn PFAS in die Umwelt gelangen, können sich ihre vorteilhaften Eigenschaften als Problem erweisen: Die stabile Bindung zerfällt unter natürlichen Umweltbedingungen nicht, reichert sich in Böden, Gewässern und Organismen an und kann gesundheitsgefährdend wirken. Allerdings warnen Verbände wie VDA, VDMA und ZVEI, dass sich ohne PFAS die Schlüsseltechnologien der Transformation zur Klimaneutralität nicht produzieren und damit auch die Ziele der Energie- und Mobilitätswende nicht erreichen ließen.

Stattdessen sollte die Stoffgruppe differenziert betrachtet werden. Stoffe, für die es aktuell noch keinen Ersatz gibt, und solche, von denen kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgeht, sollten der Industrie weiterhin zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Wirtschaft darf es nicht zu unverhältnismäßigen Verboten kommen. PFAS, von denen Risiken für Mensch und Umwelt ausgehen, sollten hingegen substituiert werden, wie es bereits heute gängige Praxis ist. „Das Beschränkungsverfahren sollte sich an der Regelungssystematik der REACH-Verordnung orientieren und dabei stoffbezogen und risikobasiert erfolgen. Es sollte eine differenzierte Vorgehensweise anwenden, bei der das tatsächliche Risiko der einzelnen PFAS-Substanzen und die Art der Verwendung berücksichtigt werden“, meint IHK-Expertin Sousa.

„Wir müssen davon ausgehen, dass auch in unserem IHK-Bezirk viele Unternehmen in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind. Diese Unternehmen werden vor der Herausforderung stehen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums herauszufinden, ob die eingesetzten Stoffe durch andere ersetzt werden können, wodurch genau und ob ihre Produktion mit solchen Alternativen noch wettbewerbsfähig ist“, analysiert Sousa. Daher plädiert die heimische Wirtschaft zumindest für realistische Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Die Gefahr, dass Unternehmen aus Europa abwandern könnten, weil sie PFAS nicht wirtschaftlich ersetzen können, sei nicht zu leugnen.

Unternehmen leiden unter bürokratischen Auflagen

Ralf Ansorge, Geschäftsführer der Ansorge- Gruppe in Landau, teilt diese Befürchtungen. Sein auf Oberflächentechnik spezialisiertes Unternehmen beschichtet verschiedenste Metallteile wie Gehäuse, Rohrleitungen und Schrauben in fast allen Industriezweigen wie Fahrzeugbau, Windkraft, Maschinenbau und Bahntechnik mit Korrosionsschutz. Er wünscht sich mehr Praxisnähe bei politischen Entscheidungen: „Bereits heute sind bürokratische Auflagen von KMU kaum noch zu stemmen.“ Statt einer „vernünftigen Regelung und Überwachung“ drohten Stoffverbote unter REACH oder ein pauschales PFAS-Verbot ohne verfügbare Alternativen Investitionen auszubremsen. Überhaupt sei es zunehmend schwer, bei den hohen Auflagen konkurrenzfähige Preise anzubieten. „Kleinere und spezialisierte Unternehmen wie unseres sind in den Lieferketten der gesamten metallverarbeitenden Industrie aber unverzichtbar. Sollten sie verschwinden, brechen diese Lieferketten ein und zwingen auch größere Unternehmen zur Abwanderung.“ Diese Entwicklung müsse unbedingt verhindert werden.

Fotos: stock.adobe.com – Lina | Firmenfoto

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Kira Hinderfeld
Kira Hinderfeld

Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.

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