
Frust und Freiheit
Corona verändert für immer, wie wir arbeiten – und wie wir leben. Das Homeoffice wälzt nicht nur Unternehmen und Organisationen um, sondern auch Handel, Immobilienmärkte, Stadtplanung, Mobilität und vieles mehr. Doch nur gut die Hälfte der Deutschen (56 Prozent laut ifo Institut) kann von zu Hause arbeiten, meist Besserverdiener und höher Qualifizierte. Was ist mit denen, die raus müssen: Kassierer, Ärzte oder Bandarbeiter?
Pfälzische Unternehmen agieren in Sachen Homeoffice wenig einheitlich. Diesen Schluss erlaubt die Beratungspraxis der IHK Pfalz. Marius Melzer aus dem Geschäftsbereich Innovation, Umwelt und Existenzgründung beobachtet unabhängig von der Krise unterschiedliche Strategien: „Manche Unternehmen sehen keinen Handlungsbedarf, solange es wirtschaftlich aufwärts geht. Andere versuchen, ihren Personalbestand zu halten und ihre Attraktivität für Fachkräfte zu erhöhen, indem sie flexibel zum Beispiel auch mit dem Wunsch nach Arbeit von zu Hause umgehen.“ Die Vorteile seien nicht von der Hand zu weisen, etwa in Bezug auf Familienfreundlichkeit, Zeitersparnis und Entlastung des Pendlerverkehrs, und sie verschafften dem Anbieter einen Imagegewinn.
Dauerhafter Schub fürs Homeoffice
Eine aktuelle Umfrage des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien deutet auf einen echten Siegeszug des Homeoffice hin. Mehr als die Hälfte der Unternehmen will auch nach Corona verstärkt von zu Hause aus arbeiten lassen. Für viele Unternehmen sei die Umstellung mit beträchtlichen Investitionen einhergegangen. Diese Neuorganisation der Arbeit werde nicht vollständig rückgängig gemacht werden. Der Trend zum Homeoffice ist demnach betriebswirtschaftlich motiviert. Außerdem: Schon jetzt interessieren sich deutlich mehr Menschen auf Jobsuche für Arbeitsplätze, die Homeoffice ermöglichen. Allerdings zeigen Umfragen auch, dass das dauerhafte Arbeiten von zu Hause für vieleBeschäftigte sowohl eine Be- als auch eine Entlastung ist.
Trotz der Vorzüge sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, so Melzer: „Große Unternehmen können sich in Sachen Homeoffice viel mehr erlauben als kleinere Betriebe.“ Nach seiner Erfahrung gibt es Branchen, die kreativer mit der flexiblen Gestaltung der Arbeitsplätze umgehen, etwa die IT-Branche. Andere Bereiche mit hohem Dienstleistungs-anspruch könnten dagegen meist nur übergangsweise effektiv remote arbeiten. Außerdem: „Was ist mit den Arbeitnehmern, die in der Produktion arbeiten, oder mit Einzelhändlern und Kassenkräften?“ Melzer prognostiziert, dass sich an solchen Arbeitsplätzen nur langfristig durch die fortschreitende Digitalisierung und KI-Lösungen etwas am Präsenzgebot ändern wird.
Persönlicher Kontakt unabdingbar
Ein weiteres Manko ist nach seiner Ansicht der kommunikative Austausch in Teams. „Teamarbeit funktioniert auf der Basis von persönlicher Kommunikation, und die stellen virtuelle Treffen nur ungenügend dar, zum Beispiel, wenn es um Ideenfindung geht. Ein intensiver Diskurs wird schwierig.“ Je komplexer die Themen werden, desto wichtiger sei persönliche Präsenz, so Melzer. Der IHKFachmann bezweifelt, dass nach Corona tatsächlich sieben von zehn Betrieben an Heimarbeitsplätzen festhalten werden. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen könnten manchmal auch die zusätzlichen Kosten für deren Einrichtung nicht stemmen.
Nach seiner Ansicht wird das Thema Arbeitsplatzsicherung in den kommenden Monaten an Stellenwert gewinnen. „Knapper werdende Ressourcen können das Pendel von einem Arbeitnehmer- wieder zu einem Arbeitgebermarkt verschieben.“ Im Gegensatz zur derzeit gängigen medialen Berichterstattung beobachtet er, dass sich Unternehmen jetzt eher auf bewährte Strategien verlassen und Investitionen in Unternehmenskultur und Flexibilisierung der Arbeitswelt auf der Strecke bleiben. „Beratungsleistungen zu Themen wie New Work oder Gesundheitsmanagement werden derzeit von Unternehmen kaum nachgefragt.“
Foto: IHK Pfalz
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Marion Raschka
IHK Pfalz
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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