
Kontrovers: Wirtschaftssanktionen
Sind wirtschaftliche Sanktionen ein geeignetes Mittel, um politische Ziele durchzusetzen – auch wenn sie vielleicht Nachteile für die heimischen Unternehmen bedeuten?
PRO: Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine ist der erste Angriffskrieg auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg – direkt an den Grenzen der EU und der NATO. Die NATO hat sich aus gut nachvollziehbaren Gründen gegen eine militärische Intervention entschieden. Selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone würde zu einer direkten Konfrontation mit Russland führen. Dieses Risiko ist gegenwärtig offensichtlich niemand bereit einzugehen.
Dennoch können wir nicht tatenlos zusehen, wie Russland aus geostrategischen Überlegungen und gut vorbereitet das größte europäische Land überfällt und unter seine Kontrolle zu bringen versucht. Das wäre ein Verrat an unseren Werten und am ukrainischen Volk, das sich zusehends der EU und unseren demokratischen Grundwerten zugewandt hat. Wenn Diplomatie uns nicht mehr weiterbringt und Waffengewalt ausgeschlossen wird, sind wirtschaftliche Sanktionen das schärfste Schwert, um Druck auf Autokraten und Despoten auszuüben. Je stärker die Weltgemeinschaft dabei zusammensteht und je schneller und radikaler sie Sanktionen verhängt, desto wirksamer dürften die Maßnahmen sein. Trotz des sehr beherzten Handelns ginge noch mehr, zum Beispiel im Energiesektor.
Auch unser Unternehmen erleidet dadurch Forderungsausfälle, Umsatzverluste und durch die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise nie dagewesene Herausforderungen. Dennoch – das muss uns der Kampf für unsere Werte wert sein. Letztendlich sind diese Kosten der Preis dafür, dass wir seit über 75 Jahren als freies Land weltweit Handelsbeziehungen unterhalten und so sehr wohlhabend geworden sind.
Sicherlich führen Sanktionen alleine nicht immer oder schnell zum erwünschten Erfolg, aber je konsequenter und zielgerichteter sie sind, desto besser können sie die diplomatischen Friedensbemühungen unterstützen.
CONTRA: Seit dem Zweiten Weltkrieg gelten Sanktionen zunehmend als Ersatz für militärische Intervention. Doch die Wirkung auf die Sanktionierten ist begrenzt, die Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung dagegen immens, und der Kollateralschaden für die eigene Wirtschaft wird oft nicht beachtet.
Für Außenstehende sind Sanktionen unmittelbar. Als Strafe bekommt ein Regime nicht mehr die Wirtschaftsgüter, die es möchte. Tatsächlich sind Sanktionen jedoch mittelbare Instrumente. Bestraft werden kann meist nicht der unerwünschte Despot, weil er in einem anderen Rechts- oder Wirtschaftsraum sitzt. Bestraft wird vielmehr der Handelspartner im eigenen Land, auf den der Sanktionierende Zugriff hat. Außerdem bekommen Länder unter Sanktionsregime meist alle reglementierten Güter über dubiose Kanäle. Dies schließt den Ehrbaren Kaufmann vom Handel aus, während eine Schattenwirtschaft sich frei entfalten kann.
Im Unterschied zu früheren Embargos zeichnet sich bei den Sanktionen gegen Russland eine Geschwindigkeit ab, auf die bestehende Handelsbeziehungen nicht mehr reagieren können. Die Abwicklung laufender Geschäfte ist nicht mehr möglich, was für die betroffenen Firmen sehr risikoreich und sogar existenzbedrohend sein kann.
Im Gegensatz zum Regime leidet die betroffene Bevölkerung meist erheblich unter Embargos. Deshalb können die Regierungen ihre Bevölkerung oft gegen die Sanktionierenden aufbringen und noch innenpolitisch Profit aus der Situation schlagen.
Finanzsanktionen schränken den internationalen Handel sehr stark ein. Daher wären gerade sie ein sinnvolles Instrument und könnten auch die zu sanktionierenden Regimes treffen. Leider wird dies jedoch von Ländern unterlaufen, die Gelder ohne Skrupel und internationale Verantwortung entgegennehmen – und damit die Schattenwirtschaft noch fördern.

Stefan Weber ist Geschäftsführer der ACO Guss GmbH, Kaiserslautern. Die Eisengießerei ACO Guss besteht seit fast 125 Jahren und ist seit 25 Jahren Teil der familiengeführten ACO Gruppe aus Schleswig-Holstein. Mit fast 400 Mitarbeitern beliefert ACO Guss Kunden weltweit.
Bilder: Privat / AdobeStock_450303617_c_iammotos

Felix Hammann ist Geschäftsführer der Hammann-Haßloch GmbH, die seit mehr als 125 Jahren Imkereibedarf produziert, sowie Mitglied des IHK-Außenwirtschaftsausschusses.
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Alexander Kessler
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Redakteur für Print, Web und Social Media im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der IHK Pfalz.
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