
Nachhaltige Gewerbegebiete: Fit für die Zukunft (Teil 1)
Industrie- und Gewerbeflächen sind knapp. Bereits heute übersteigt die Nachfrage der Unternehmen das Flächenangebot deutlich. Zugleich steigen die Anforderungen an eine nachhaltige Nutzung und Gestaltung der Flächen. Um den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz und der Metropolregion Rhein-Neckar nicht zu gefährden, sind neue Konzepte gefragt – etwa beim Umgang mit Flächen, dem Energie- und Ressourcenmanagement wie auch der Mobilität.
Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, die Neuversiegelung drastisch zu reduzieren, und strebt bis 2050 das Flächenverbrauchsziel Netto-Null an. In Rheinland-Pfalz werden jedoch etwa 4,3 Hektar Fläche täglich (Zeitraum 2018-2021) neu in Anspruch genommen. Trotzdem hält Raphael Thießen vom Deutschen Brownfield-Verband (DEBV) eine Flächenknappheit für einen Mythos. Schätzungsweise 150.000 Hektar Brownfield-Brachfläche stünden derzeit zur Verfügung, was etwa der Hälfte des Saarlands entspricht. Ein Brownfield ist ein Grundstück oder eine Industriebrache, deren Erweiterung, Sanierung oder Wiederverwendung durch das (potenzielle) Vorhandensein eines gefährlichen Stoffes erschwert werden kann.
Allerdings sind diese Flächen ungleich verteilt. In den für die Wirtschaft attraktiven Ballungsräumen sind kaum Flächen vorhanden, so auch in der Vorderpfalz und in großen Teilen der Metropolregion Rhein-Neckar. In der West- und Südwestpfalz hingegen ist die Flächensituation weniger angespannt. „Das haben auch die Ergebnisse unserer Standortumfrage des vergangenen Jahres gezeigt, in der die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen in Frankenthal, Speyer und Neustadt am negativsten bewertet wurde“, sagt Justine Markisch, Referentin für Planung und Standortentwicklung bei der IHK Pfalz. „Am besten abgeschnitten haben hier die Städte Pirmasens, Zweibrücken und Landau.“
Konversion und Symbiosen bieten Potenzial
Flächenpotenzial bieten sogenannte Konversionsflächen, die ehemals vom Militär genutzt wurden. Beispielhaft ist das Gelände der 2015 stillgelegten Kurpfalz-Kaserne in Speyer. Dort sollen auf Speyerer Gemarkung 70 Prozent Wohn- und 30 Prozent Gewerbeflächen entstehen, während der in Otterstadt gelegene Teil des Geländes gar als reines Gewerbegebiet geplant ist. Wenn Raum, Energie und andere Ressourcen knapp und teuer sind, eröffnen auch überbetrieblicher Austausch und Kooperationen neue Potenziale. Solche Ansätze bezeichnet man als Symbiosen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Biologie und beschreibt das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen.
Veronika Wolf von der Zero Emission GmbH in Wuppertal hat seit 2011 rund 60 Projekte betreut, bei denen es um in der Regel nachhaltige Gewerbegebiete ging, und sich dabei auch mit Symbiosen befasst. Die Symbiosen könnten sehr unterschiedlich aussehen und umfassten nicht nur den Austausch von Materialien, Energie, Wasser und Nebenprodukten, sondern auch gemeinsam in Anspruch genommene Dienstleistungen, gemeinsam genutzte Infrastruktur, Wissenstransfer und menschliche Ressourcen. Wichtig sei dabei, dass alle beteiligten Parteien von einer solchen Symbiose profitieren. Für nachhaltige Gewerbegebiete spielt zudem alternative, umweltfreundliche Mobilität eine zunehmende Rolle. Man muss dabei weg von einer statischen Verwaltung von Parkraum, hin zu einem dynamischen Management von Flächen, Mobilitäten und Services.
Sophie Stigliano von der Design- und Strategieberatung Urban Standards spricht sich dabei für einen Push-and-Pull- Ansatz aus. Das bedeute zum einen, dass man bewusst weniger Stellplätze zur Verfügung stelle, aber auf der anderen Seite attraktive Alternativen mit nach Bedarf kombinierbaren Mobilitätspaketen schaffe. Das können zum Beispiel Sharing- Stationen für E-Autos, E-Bikes oder Lastenfahrräder sein, aber auch rabattierte ÖPNV-Monatstickets für die Beschäftigten. Es geht dabei nicht darum, das Auto komplett zu vermeiden, sondern die Pendler zu verlagern, die man verkehrstechnisch verlagern kann.
Foto: stock.adobe.com – ArtSys
Lesen Sie hier den zweiten Teil über nachhaltige Gewerbegebiete:
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