
Neustadt: Stillstand an der Weinstraße
Wie bereits 2018 schneidet Neustadt im Vergleich zu den anderen sieben pfälzischen Städten mit der schlechtesten Note (3,1) ab. Die weichen Standort-faktoren sprechen dagegen für den Mittelpunkt der Deutschen Weinstraße, ebenso wie die Verkehrsanbindung.
„Das wiederholt negative Abschneiden verwundert uns, weil wir denken, dass die Stadt an der Weinstraße über ausreichend Potenzial verfügt“, fasst die Leiterin der IHK-Standortanalyse, Nicole Rabold, ihren Eindruck zusammen. Selbst die sehenswerte historische Altstadt mit viel Gastronomie und Einzelhandel wird lediglich mit der Note 3,5 bewertet. Einzelne Problemimmobilien trüben dort das gesamte Bild.
Die Zufriedenheit mit Nahversorgung, Schulangebot, Gesundheitsversorgung und attraktiven Freizeitmöglichkeiten zumindest für bestimmte Bevölkerungs-gruppen zeichnet Neustadt aus und schafft eine hohe Verbundenheit der Unternehmen mit dem Standort. Chancen für eine Imageaufwertung könnten sich durch Weinwirtschaft und Tourismus eröffnen.
Wohlfühlen statt Wertschöpfung
Neustadt hat vieles zu bieten: Lebensqualität, Sicherheit, Familien-freundlichkeit, Flair und Charme. „Wir können uns die Bewertung nur so erklären: Man fühlt sich zwar wohl und zu Hause in der Stadt, genießt Lage und Naturnähe“, so Rabold, „man vermisst jedoch Dynamik, Innovations-fähigkeit und Wirtschaftskraft. Neustadt versteht sich offenbar selbst nicht als Wirtschaftsstandort.“
Verkehr Top, Digitalisierung Flop
Die klassische Infrastruktur ist ein Pluspunkt für Neustadt. Die Anbindung an das Fernstraßennetz, das Angebot des ÖPNV und die Nähe zum Schienenfern-verkehr werden von der Wirtschaft geschätzt.
Lediglich mit 3,6 und damit um 0,4 Punkte schlechter als der Durchschnitts-wert der kreisfreien Städte der Pfalz wird dagegen die Qualität der digitalen Infrastruktur benotet. „Auch wenn die Siedlungsstruktur Neustadts natur-gemäß den zügigen, flächendeckenden Ausbau von Glasfaser und Mobilfunk erschwert“, so Rabold, „ist dieser Standortfaktor einer der wichtigsten für die Wirtschaft und digitale Leistungsfähigkeit der Netze ein großes Anliegen der Unternehmen.“
Wünsche an die Kommune
Als eher unterdurchschnittlich mit einer Gesamtbewertung von 3,4 wird die Arbeit der Wirtschaftsförderung bewertet. Bereits 2018 gab es hier im Hinblick auf ihre Qualität und Kompetenz nur die Note 3,2. Das kommunale Standort-marketing erzielt einen Wert von 3,6 und konnte sich damit im Vergleich zu 2018 nur leicht verbessern. Außerdem wurde und wird auch weiterhin die Arbeit der Verwaltung kritisch gesehen (3,6). „Das Zusammenspiel und die Kommunikation mit der Wirtschaft klappen in Neustadt nicht gut“, resümiert die IHK-Expertin. Auf der Wunschliste der Unternehmen stehe unter anderem, das kommunale Standortmarketing zu verbessern, die Reaktions-geschwindigkeit zu erhöhen und digitale Serviceangebote zu etablieren.
Lesen Sie hier die Ergebnisse aller Städte der IHK Standortanalyse 2022:
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Marion Raschka
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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