
New Work: Chancen nutzen – Risiken beherrschen
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Und das nicht nur als Folge der Pandemie. Die notwendige Digitalisierung stellt ganz neue Ansprüche, eröffnet jedoch gleichzeitig viele Möglichkeiten. Der gravierende Fachkräftemangel erfordert zudem ein Umdenken und andere Herangehensweisen. „Im Wettbewerb um die guten Köpfe kann punkten, wer auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver, moderner Arbeitgeber wahrgenommen wird“, sagt der auf Arbeitswelten spezialisierte Unternehmensberater Stefan Dietz aus Winnweiler.
New Work
Um das Stichwort New Work kommt man dabei nicht herum. Arbeitgeber sollten sich mit den Chancen dieses Ansatzes beschäftigen, sich auch der neuen Herausforderungen, insbesondere rechtlicher Natur, bewusst sein, rät Martin Koller van Delden, Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Bei dem Konzept geht es um eine neue Gestaltung der Arbeitswelt, die mit möglichst wenig Hierarchien, Kontrolle und festen Strukturen auskommen will und stattdessen auf kreative Freiräume, Eigenverantwortung, Teamarbeit, agile Methoden, zeitliche und örtliche Flexibilität bis hin zum kompletten Remote Work setzt. Viele Unternehmen berücksichtigen die New-Work-Prinzipien bereits bei anstehenden Baumaßnahmen: Lange Korridore mit vielen geschlossenen Türen gehören dann der Vergangenheit an – stattdessen gibt es offene Raumkonzepte, Coworking-Spaces, Teambereiche, Begegnungs- und Rückzugszonen.
New Work ist dabei deutlich mehr als die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten oder ein luftiges Büro-Ambiente mit Obstkörben und einer Tischtennisplatte im Pausenraum, erläutert Arbeitswelt-Expertin Prof. Dr. Jutta Rump von der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen.
Geprägt wurde der Begriff schon Ende der 1970er Jahre durch den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann. Unter dem Motto „Work we want and a culture that strengthens us“ propagierte er eine Arbeitswelt, die unter anderem Prinzipien wie Freiheit, Selbstverantwortung und den Sinn der Arbeit in den Mittelpunkt stellt. Diese also nicht ganz neuen Ideen erhielten in der Corona-Pandemie kräftig Auftrieb – als die meisten Beschäftigten von jetzt auf gleich ins Homeoffice geschickt wurden und Unternehmen schnellstmöglich Lösungen finden mussten.
Geltendes Recht bleibt bestehen
Auch wenn sich die Rahmenbedingungen mittlerweile weitgehend normalisiert haben, ist New Work nicht mehr wegzudenken. „Mit dem Strukturwandel in der Arbeitswelt – hin zu größtmöglicher Flexibilisierung – betreten die Unternehmen oft Neuland. Insbesondere bei den rechtlichen Rahmenbedingungen entsteht dadurch eine gewisse Verunsicherung“, beobachtet Heinrich Jöckel, Geschäftsführer Recht bei der IHK Pfalz. Aber er kann auch beruhigen: Arbeitgeber müssen bei der Einführung von New Work keine neuen Gesetze beachten, denn die bestehende Gesetzgebung und die bisherigen Rechtsvorschriften gelten auch für New Work und dürften aus heutiger Sicht die meisten Situationen abdecken.
Weiterhin gelten also Grundsätze wie: Der Arbeitnehmer hat zwar kein Recht auf einen festen Arbeitsplatz, wohl aber einen Beschäftigungsanspruch. Das heißt, der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, überhaupt seiner Arbeitsverpflichtung nachkommen zu können. „Bei einem klassischen KMU mit 40 oder 50 Arbeitsplätzen könnte es künftig so aussehen, dass man für 30 Leute Schreibtische hat und für die anderen nicht. Es kann natürlich nicht dem Zufall überlassen werden, ob man morgens einen Schreibtisch vorfindet oder nicht. Hier braucht es Regeln und Vereinbarungen bis hin zu Buchungssystemen“, empfiehlt der Jurist. Auch die technische Ausstattung muss, egal wo gearbeitet wird, mobil zur Verfügung stehen, da der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet werden kann, seine privaten Geräte zu nutzen – ganz davon abgesehen, dass dies im Sinne der Datensicherheit ohnehin nicht ratsam wäre.
„Als Arbeitgeber wiederum habe ich das gute Recht, New Work als Element der Arbeitsorganisation vorzugeben. Ich kann aber nicht verlangen, dass mein Arbeitnehmer Homeoffice macht“, so Jöckel. Eine Homeoffice-Pflicht gibt es derzeit nicht und ist auch nicht geplant. „Wenn einer der Beteiligten das wünscht, sollte man gemeinsam ausloten, ob die nötigen Voraussetzungen gegeben sind, zum Beispiel Wohnumstände, Familiensituation, technische und organisatorische Gegebenheiten.“ Und dann sollte man miteinander einen Rahmen vereinbaren – etwa den für alle Seiten passenden Umfang und die Lage der Arbeitszeit, den Anteil mobilen Arbeitens beziehungsweise mögliche Pflichtpräsenztage im Unternehmen, sowie die nötige Ausstattung. Die Arbeitsziele und die Aufgabenverteilung werden hingegen heutzutage idealerweise im Team erarbeitet.
Dass in der Zukunft weiterer gesetzlicher Regelungsbedarf entstehen könnte, will der IHK-Geschäftsführer zwar nicht ausschließen, doch das sollte Unternehmen bei der Transformation ihrer eigenen Arbeitswelt nicht beirren.
Grafik: stock.adobe.com – svetazi
Während laut Statista vor der Corona-Krise vier Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus arbeiteten, waren es im ersten Lockdown im April 2020 rund 30 Prozent. Auch im August 2022 lag laut ifo Institut der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice noch bei 24,5 Prozent – das lässt aus Sicht des Instituts darauf schließen, dass Unternehmen und Beschäftigte dauerhaft auf Homeoffice setzen.
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Kira Hinderfeld
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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