
Parteiaustritt von OB Steinruck: Stillstand für die Wirtschaft?
Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck ist mitten in der Legislaturperiode aus der SPD ausgetreten – planmäßig ist sie noch zwei Jahre im Amt. Unklar ist, welche Konsequenzen das für die lokale und regionale Wirtschaft haben kann. Zumal Steinruck auch massive Kritik an der Landes- und Bundes-SPD geübt hat. Drohen nun zwei Jahre Stillstand oder bleibt der Stadtrat handlungsfähig? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Marc Debus, Inhaber der Professur für Politische Wissenschaft, Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Koalitionstheorien und Parteienwettbewerb.
Herr Prof. Debus, OB Steinruck überwirft sich mit ihrer Partei auf allen politischen Ebenen. Welches Standing hat sie noch – gerade im Hinblick auf Entscheidungen, die die Wirtschaft betreffen?
Zunächst muss man sagen, dass Frau Steinruck als direkt gewählte und legitimierte Oberbürgermeisterin die zentrale Figur im politischen Entscheidungsprozess in Ludwigshafen ist und das auch bleiben wird. Sie ist hauptamtlich bestellt und bestimmt weiterhin die Agenda. Entscheidungen und Beschlüsse werden allerdings schwieriger und brauchen länger.
Eine parteilos zur Wahl angetretene Oberbürgermeisterin hat mögliche Koalitionen bereits ausgelotet, kennt ihre Unterstützer. Eine aus der Partei ausgetretene OB hingegen hat die Ex-Partei und die Opposition – das ist eine andere Ausgangslage.
Eventuell wird es damit künftig zu wechselnden Mehrheiten für unterschiedliche Entscheidungen kommen. Ad-hoc-Koalitionen könnten zunehmen, wenn die SPD nicht weiter mit der OB kooperiert. Generell kann man feststellen, dass tendenziell weniger Beschlüsse gefasst werden, je größer die ideologische Distanz zwischen OB und Fraktion ist. Zudem dauert es länger, zu sondieren und Mehrheiten zu finden. Grundsätzlich kann ein Interessenspiel beginnen. Fraktionen der großen Parteien und deren Vorsitzende könnten sich für die nächste Wahl positionieren wollen. Aber in aller Regel wird die Partei oder Person von einer erfolgreichen Politik profitieren, die das jeweilige Amt innehat.
Frau Steinruck sagte in Interviews, sie verstehe Wirtschafts- und Industriepolitik als lokale Arbeitsmarktpolitik und dass die Landesregierung die Situation in einer Industriestadt wie Ludwigshafen mit ihrer Sozialstruktur nicht wahrhaben wolle.
Das hängt natürlich alles zusammen. Wir haben beispielsweise eine Studie gemacht, aus der hervorgeht, dass die Zugehörigkeit des Oberbürgermeisters zu Parteien links der ideologischen Mitte zu einer höheren Zahl an Ganztagsbetreuungsplätzen für Kinder führt. Befindet sich eine Stadt jedoch in einer wirtschaftlichen Notlage, ist die Zahl der Ganztagsbetreuungsplätze deutlich geringer, selbst wenn der Bürgermeister einer linken Partei angehört. Werden also knappe Gelder Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck ist mitten in der Legislaturperiode aus der SPD ausgetreten – planmäßig ist sie noch zwei Jahre im Amt. Unklar ist, welche Konsequenzen das für die lokale und regionale Wirtschaft haben kann. Zumal Steinruck auch massive Kritik an der Landes- und Bundes-SPD geübt hat. Drohen nun zwei Jahre Stillstand oder bleibt der Stadtrat handlungsfähig? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Marc Debus, Inhaber der Professur für Politische Wissenschaft, Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Koalitionstheorien und Parteienwettbewerb. 02 IM BRENNPUNKT für auch wirtschaftsfördernde Infrastrukturmaßnahmen, wie die Hochstraßen in Ludwigshafen, ausgegeben, fehlen sie woanders. Gibt es aber weniger Kita- oder Grundschulplätze, können die Eltern nicht in Vollzeit arbeiten. Also ist die Bereitstellung von Ganztagsbetreuungsplätzen für Kinder eine wichtige Möglichkeit, Eltern in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ist das nicht der Fall, fehlt es an Einkommen und Kaufkraft. Ist das Bildungsniveau niedrig, schlägt sich das am Ende auch bei den Auszubildenden nieder.
Spätestens an dieser Stelle sind dann auch Mittel vom Land eine große Hilfe. Vor etwa zwei Jahren hat OB Steinruck schon einmal ihr Parteibuch zurückgeben wollen und Ministerpräsidentin Dreyer hat sie überzeugt, es nicht zu tun. Ist der Austritt nun also auch auf Landesebene ein Affront mit Folgen?
Studien belegen, dass die gleiche parteipolitische Färbung der lokalen und der Landesregierung die Zusammenarbeit natürlich einfacher gestaltet, gerade bei Kontakten in wichtige Ressorts. Diese guten Kontakte brechen möglicherweise nun ab. Informationen über den kurzen Dienstweg könnten wegfallen, etwa bei der Mittelvergabe. Dann könnten andere Städte oder Kommunen früher an Infos kommen und Startvorteile bei Vergaben haben. Während solche Mikrokommunikation möglicherweise leidet, wird die Landesregierung die Stadt Ludwigshafen jedoch nicht offensichtlich benachteiligen.
Das heißt, im Idealfall werden die Interessen der Stadt und ihrer Wirtschaft auch weiterhin über den parteipolitischen Diskussionen stehen. Was wäre dann noch das Worst-Case-Szenario für die Ludwigshafener Wirtschaft?
Auf der einen Seite die Entfremdung von OB und Fraktion, die so groß wird, dass man sich nicht mehr auf notwendige Entscheidungen und Beschlüsse einigen kann. Zum anderen die erwähnten Reaktionen der Landesregierung. Aber am Ende hat niemand ein Interesse an einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage, erst recht im Hinblick auf die nächste Wahl. Daher wird man sich eher darauf einstellen müssen, dass Beschlüsse wahrscheinlich länger dauern und die Bildung von (Ad-hoc-)Koalitionen schwieriger wird.
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Alexander Kessler
IHK Pfalz
Redakteur für Print, Web und Social Media im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der IHK Pfalz.
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