
Schulterschluss der Region gefordert
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) muss rasch und dauerhaft Fahrt aufnehmen, um den stark steigenden Strombedarf der Region zu decken. Dabei wird die Region auch weiterhin auf Stromimporte angewiesen sein. Dieser Bedarf besteht selbst dann, wenn alle vorhandenen Potenziale für erneuerbare Energien in der Region ausgeschöpft werden sollten.
Das sind zentrale Ergebnisse der „Stromstudie für die Metropolregion Rhein- Neckar“, die die Versorgungssicherheit bis zum Jahr 2045 analysiert. Erstellt hat die Analyse das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), beauftragt haben sie die vier Industrie- und Handelskammern in der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN).
Die MRN ist bereits heute eine der stromintensivsten Regionen Deutschlands, und das unabhängig von einzelnen, großen stromintensiven Verbrauchern in der Industrie. „Die Studie hat klar gezeigt, dass die infrastrukturelle Anbindung unserer Region an überregionale Stromnetze essentiell sein wird für die Pfalz“, so Steffen Blaga, Leiter des IHK-Pfalz Geschäftsbereichs Innovation, Umwelt und Existenzgründung. „Denn alle Anstrengungen, die wir regional unternehmen können und sollten, werden nicht ausreichen, um eine vollumfänglich autarke, energetische Grundlastsicherung für unser regionales Wirtschaftssystem bereitzustellen.“
Stromverbrauch verdoppelt sich bis 2045
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Stromverbrauch in der Metropolregion wird von heute 17 Terawattstunden pro Jahr bis zum Jahr 2045 auf 32 bis 38 Terawattstunden ansteigen, je nach zugrunde gelegtem Szenario, so die aktuelle ISE-Studie. Haupttreiber hierfür ist neben einer massiven Elektrifizierung von Verkehr und Haushalten die Notwendigkeit zur Dekarbonisierung in der gewerblichen Wirtschaft, wo die Abkehr von Öl und Gas ebenfalls in einen erhöhten Strombedarf mündet.
Die ISE-Wissenschaftler beziffern das Potenzial für erneuerbare Energien in der MRN auf 16,2 Gigawatt (GW). Die ließen sich aber nur erreichen, wenn alle realistischen Potenziale auch erschlossen würden. Zum Vergleich: Die heute installierte Leistung liegt bei gerade mal einem Zehntel davon. Besonderes Potenzial sehen die Experten in Photovoltaikanlagen: insgesamt 14,4 GW, davon 6,0 GW für Dachund 8,4 GW für Freiflächen.
Ziel Windkraftausbau verfehlt
Die Windkraft indes käme auf maximal 1,8 GW. Die Studie zeigt dabei eindrücklich, dass sich die Ausbaupotenziale der MRN vor allem auf den Neckar-Odenwald-Kreis, den Kreis Bergstraße und den Rhein-Neckar Kreis konzentrieren, während der Strombedarf in den industriellen Kernen und damit in den Städten hoch ist und zunehmen wird. „Da wir wegen überbordender und viel zu lange dauernder Abwägungs- und Genehmigungsverfahren bereits 2021 das rheinland-pfälzische Ausbauziel für Windkraft (500 MW pro Jahr) krachend verfehlt haben und sich dies auch für 2022 abzeichnet, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sich kurzfristig etwas ändert“, befürchtet der IHK-Pfalz-Experte.
Weitere wichtige Erkenntnis: Bei Realisierung des gesamten Potenzials von 16,2 GW installierter Leistung ergeben sich rund 20 Terawattstunden Strom, plus eine weitere Terawattstunde aus Wasserkraft und Biomasse. Die Region werde daher, selbst wenn sie sämtliche Potenziale ausschöpft, auf Stromimporte von zehn bis 17 Terawattstunden im Jahr angewiesen sein, so ein Studienergebnis.

Fünf Jahre weniger Zeit
„Die Studie belegt, dass der Auf- und Ausbau aller Energieressourcen ab sofort sehr schnell vonstattengehen muss, wir brauchen genau jetzt einen enormen Schub“, so Blaga. „Denn wir sprechen in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zum Bund und den anderen Bundesländern vom Ziel Klimaneutralität, die fünf Jahre früher, nämlich bereits 2040, erreicht sein soll. Das heißt, wir brauchen im Bundesvergleich eine höhere Ausbaugeschwindigkeit und -dynamik. Die Frage stellt sich jedoch: Wie wirtschaftsverträglich wird dieses Ziel zu erreichen sein?“
Selbstverständlich habe der Ausbau der erneuerbaren Energien auch das Potenzial, Wertschöpfung in die Region zu bringen und Widerstandsfähigkeit sowie Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft zu steigern. Doch die Chance auf einen massiven Ausbau könne nur gemeinsam genutzt werden. Die Studie macht deutlich, dass das realistische Potenzial der Erneuerbaren weit unter dem technisch möglichen liegt. Und selbst zur Verwirklichung des realistischen Potenzials müssten sich alle in der Region mächtig ins Zeug legen.
„Die Region braucht die Region“, fasst Blaga die Botschaft zusammen. „Wenn es hier vor Ort keinen Zusammenhalt gibt, dann werden die Energie-Importmengen, die es ohnehin geben muss, noch wachsen, und damit auch die noch drängendere Notwendigkeit hinreichender Netzkapazitäten. Wir brauchen breite Stromautobahnen – insbesondere aus dem Norden Deutschlands –, smarte Energieverteilnetze und einen schnellen Anschluss an die europäische Wasserstoffinfrastruktur, den sogenannten H2-Backbone.“
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Marion Raschka
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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