
„Wählen heißt mitbestimmen“
Jedes Unternehmen in der Pfalz hat genau eine Stimme, und zwar unabhängig von der Größe des Betriebes, um basisdemokratisch alle sechs Jahre seine Vertreter in die Vollversammlung (VV) zu wählen. Im Interview erläutert Dr. Tibor Müller, Hauptgeschäftsführer der IHK Pfalz, wie das Parlament der regionalen Wirtschaft funktioniert.
Warum sollten die Mitglieder der IHK Pfalz sich an der Wahl zur Vollversammlung beteiligen?
„Wir sind eine Mitmach-Organisation und können nur dann gut sein, wenn sich möglichst viele pfälzische Unternehmen aller Branchen engagieren: in Arbeitskreisen, der Ausbildung, in Ausschüssen und der VV, aber auch als Wähler. Als höchstes Gremium bestimmt die Vollversammlung, das ‚Parlament der Wirtschaft‘, die strategische Ausrichtung der IHK, entscheidet, wofür die Mitgliedsbeiträge verwendet werden, wählt das Präsidium und bestellt den Hauptgeschäftsführer. Sie besteht ja aus Unternehmern aller Branchen und Größen. Das gewährleistet, dass unsere Dienstleistung von A wie Ausbildung bis Z wie Zoll immer nah am tatsächlichen Bedarf unserer Mitglieder bleibt. Die 85 Gewählten sind repräsentativ für alle rund 78.000 Mitglieder. So kann die IHK aus einzelnen manchmal sehr unterschiedlichen Forderungen das Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft formen – die Grundvoraussetzung für unsere Politikberatung. Deshalb brauchen wir eine breite Basis.“

Welches sind aktuell die drängendsten Fragen, die die Vollversammlung beschäftigen?
„Im Dialog mit der Politik ist das Topthema für unsere Mitglieder der überfällige Bürokratieabbau. Die VV fordert schlanke Verfahren und rasche Genehmigungen. Steuern und Abgabe bewegen sich in einer Höhe, die die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes gefährdet. Generell beschäftigt sich die Vollversammlung mit allen aktuellen wirtschaftlichen Themen, so auch den ‚drei Ds‘: Dekarbonisierung, Demografie und Digitalisierung. Wir unterstützen die nachhaltige CO2-Reduzierung, fordern aber bei der Politik ein, dass unsere Unternehmen sicher und wettbewerbsfähig mit Strom und Gas versorgt werden. Zu solchen Themen verabschiedet die VV Resolutionen, die in regelmäßigen Hintergrundgesprächen mit Ministern und Staatssekretären, aber auch mit Abgeordneten und Kommunalpolitikern verwendet werden. Oft sind Unternehmer aus der Vollversammlung dabei, die dann hautnah aus ihrer Praxis berichten.
Ein weiteres drängendes Problem ist der Fachkräftemangel, der sich enorm verschärft. Die amtierende VV hat zum Beispiel 1 Million Euro in die Hand genommen, um mit dem IHK-Kompetenzcheck Geflüchtete in Arbeit zu bringen. Heute hat dies nicht mehr diese hohe Priorität, vielmehr werden die Mittel nun auf das Projekt „Valikom Transfer“ verwendet, das die praktischen Kompetenzen von Menschen feststellt, die schon lange in einem Beruf arbeiten, ohne eine formale Qualifikation nachweisen zu können. Sie werden von der IHK „auf Herz und Nieren“ geprüft und bekommen ein Zertifikat, mit dem sie wesentlich qualifiziertere Tätigkeiten ausüben können als formal ungelernte Kräfte. Diese Entwicklung wird mit Sicherheit auch die neue Vollversammlung beschäftigen, die dann erneut Entscheidungen treffen muss. Auch bei der Digitalisierung, wo wir hierzulande hinterherhinken, wird die künftige Vollversammlung immer wieder den Finger in die Wunde legen, was wir dann weiter an die Politik transportieren.“
Welche Themen stehen über den Tag hinaus auf der Agenda des pfälzischen Wirtschaftsparlaments?
„Sorgen auf längere Sicht macht Pfälzer Unternehmen, dass die Inflation langfristig hoch bleiben könnte. Außerdem registrieren wir eine „angezogene Handbremse“ bei privaten und öffentlichen Investitionen, weil Verfahren zu komplex und politische Rahmenbedingungen unklar sind, so wie wir uns momentan von Krise zu Krise hangeln. Angesichts von einigen negativen Spitzenreitern ist die nachhaltige Entschuldung der Pfälzer Kommunen ein wichtiges Thema. Auch hier sorgen wir dafür, dass die Politiker aus erster Hand von Unternehmern erfahren, welche negativen Konsequenzen zum Beispiel eine Gewerbesteuererhöhung mittelfristig hat.“
Weitere Informationen:
Wahlhotline: 0621 5904-4459
Website: pfalz.ihk24.de/IHK-Wahl
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Marion Raschka
Freie Wirtschafts-Journalistin für IHK Interaktiv und das Wirtschaftsmagazin Pfalz.
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